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Multimedia - Herausforderung für den medienrechtlichen Persönlichkeitsschutz*

Prof. Dr. Carl-Eugen Eberle

Die Technik als Schrittmacher der Medien: Immer wieder waren es technische Entwicklungen, die das Erscheinungsbild der Medien, aber auch die Fortentwicklung des Medienrechts prägten. Dies wird auch für eine neue, durch den Begriff "Multimedia" gekennzeichnete Epoche der elektronischen Medien gelten. Das Zusammenwachsen von Datenverarbeitung, Telekommunikation und Fernsehen stellt für das Medienrecht und insbesondere für die Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes in den Medien eine Herausforderung dar. Deshalb lohnt es sich, den unter dem Begriff Multimedia zusammengefaßten medialen Dienstleistungen und Präsentationsformen nachzugehen (1), die Wurzeln und Grundzüge des Persönlichkeitsschutzes in den Medien in Erinnerung zu rufen (2) und auf dieser Basis einigen ausgewählte Fragen des Persönlichkeitsschutzes bei neuen rundfunkähnlichen Telediensten anzugehen (3).

1. Erscheinungsformen von Multimedia

Das Zukunftsszenario der elektronischen Medien wird geprägt durch die Digitalisierung und die mit ihr verbundenen Folgen [1]. Fernsehbilder werden künftig nicht mehr analog, sondern in der Form digitaler Signale übertragen. Die dabei angewandte Technik der Datenkompression spart Übertragungskapazität mit der Folge, daß innerhalb weniger Jahre Platz für die Satelliten- und Kabelübertragungen von bis zu 400 zusätzlichen Fernsehprogrammen und anderen Telediensten verfügbar sein wird (Information Highway).

Vermehrte und preisgünstigere Übertragungsmöglichkeiten begünstigen neue, entgeltliche Medienangebote [2] wie Pay per Channel, Pay per View, Near Video on Demand und Video on Demand. Neben diesen Fernsehprogrammdiensten werden wohl fernsehmäßige Datendienste (DataBroadcasting) stark zunehmen. Sie werden in der Form von Programmübersichten (TV Guide), Zusatzinformationen zu Sendungen, spezieller Datendienste sowie interaktiver Dienste angeboten werden.

Dieses Multimedia-Szenario gründet sich nicht zuletzt auf die Vorstellung, daß die bislang eher getrennten Welten des Rundfunks und der Datenverarbeitung bzw. der Telekommunikation zusammenwachsen und dem Benutzer ein mediales Gesamtangebot über ein einheitliches Empfangsgerät liefern, den oft apostrophierten elektronischen Kiosk. Dabei wird jedoch der unterschiedliche praktische und habituelle Kontext von Fernsehempfang einerseits und PC-Datenverarbeitung andererseits außer acht gelassen.

Dieser läßt sich mit dem Gegensatzpaar Couch-Viewing versus Desk-Viewing auf einen griffigen Nenner bringen.

Der Fernsehzuschauer sitzt auf der Couch (deshalb Couch-Viewing), mehrere Meter vom Empfangsgerät entfernt. Den Fernsehempfang steuert er über eine Fernbedienung. Diese ist sehr einfach zu handhaben und kann deshalb von jedermann leicht und ohne weitere Einübung benutzt werden, dafür ist sie aber auch relativ funktionsarm und taugt nicht für komplexere Steuerungsaufgaben. Schließlich hat das Fernsehen auch eine - wenn auch gegenüber früher möglicherweise schwindende - soziale Dimension, soweit der Zuschauer, wie häufig, das Programm nicht allein, sondern im familiären Kreis oder mit Freunden verfolgt.

Der PC-Nutzer dagegen sitzt in der Regel allein unmittelbar vor dem zum Greifen nahen Bildschirm am Schreibtisch (deshalb Desk-Viewing). Die Informationsauswahl steuert er über eine multifunktionale Tastatur. Ihre Handhabung ist - wie der Umgang mit dem PC insgesamt - nicht einfach, sondern setzt professionelles Einüben voraus.

Veranschaulicht man sich diese höchst unterschiedlichen Nutzerwelten, dann fällt es schwer, sich die prognostizierte Verschmelzung von Fernsehgerät und PC vorzustellen. Statt dessen erscheint ein Szenario realistischer, bei dem der Zuschauer ein um Spartenkanäle angereichertes Fernsehangebot erlebt, das durch zusätzliche Informationen zum Programm nach Art des Videotextes und durch spezielle Datenangebote (DataBroadcasting) komplettiert wird. Dieses insgesamt der Fernsehfunktion zuzurechnende mediale Gesamtangebot wird dabei unter einer gemeinsamen Benutzeroberfläche nach Art eines elektronischen Programmführers (TV Guide) angeordnet und über eine vielleicht funktionsmäßig dem Dienstspektrum angepaßte, dem PC-Keyboard aber noch nicht vergleichbare, weil einfacher zu bedienende Fernbedienung zugänglich gemacht.

Aus der Sicht des Zuschauerverhaltens spricht demnach viel dafür, daß der Freizeitkonsum elektronischer Medien nach Art des Couch-Viewing vor dem Fernsehgerät stattfindet. Den geschilderten Präsentationserfordernissen kommt darüber hinaus die digitale Programmverbreitung entgegen. Sie erlaubt es, dem Zuschauer das mediale Gesamtangebot so zu präsentieren, daß er die Übersicht behält, nach den für ihn maßgeblichen Bedarfskriterien die Angebotsvielfalt ordnen und den gewünschten einzelnen Programmbeitrag auswählen kann.

Seitenanfang Die Technik hierzu besteht darin, eine Vielzahl von Einzelprogrammen und dazugehörigen Teledienstleistungen zu Programmbouquets zu bündeln und unter einem einheitlichen elektronischen Programmführer (TV Guide) anzubieten. Das bedeutet, daß die großen Veranstaltergruppen künftig vermehrt Spartenkanäle anbieten werden. Sie ergänzen die Vollprogramme durch themen- und zielgruppenbezogene Programmangebote, die teils entgeltlich, teils unentgeltlich verbreitet werden. Hinzu treten videotextähnliche Informationsdienste, die Hintergrundinformationen zu den Sendungen liefern, die aber auch für Telespiele oder für Bestellvorgänge genützt werden können.

Vor dieses mediale Gesamtangebot wird der elektronische Programmführer wie eine Art Inhaltsverzeichnis gelegt. Er informiert - je nach Wunsch - über die zeitliche Abfolge von Sendungen, ordnet diese zugleich aber auch ihrem Inhalt nach bestimmten Sparten, wie z. B. Information, Sport, Spielfilm, Dokumentation, Kinder oder Ratgeber zu und erleichtert es somit, Sendungen nach inhaltlichen Kriterien auszuwählen. Über den elektronischen Programmführer wird es zukünftig wohl auch in einfacher Weise möglich sein, Videorecorder vorzuprogrammieren und Bestellungen abzuwickeln.

Für die medienrechtliche Beurteilung kommt es darauf an, ob die genannten Multimedia-Dienstleistungen unter den Begriff des Rundfunks gefaßt werden können [3]. Dies gilt wohl unstreitig für Pay TV und Pay per View-Dienste, erfüllen sie jedoch aufgrund ihrer Zugänglichkeit für jedermann und ihre Organisation als Verteildienst die für die klassische Definition des Rundfunks relevanten Merkmale der "gleichzeitigen Veranstaltung für die Allgemeinheit" [4]. Gleiches muß aber auch für die oben angeführten On Demand-Dienste gelten, insbesondere für Video on Demand [5]. Hierbei handelt es sich zwar um den individuellen Abruf bestimmter Einzelsendungen, die aber in das tatsächliche Erscheinungsbild des Fernsehens in seiner neuen Funktionsvielfalt eingefügt sind. Schließlich sind On Demand-Dienstleistungen ebenfalls für die Allgemeinheit bestimmt. Der Unterschied zum herkömmlichen Programm besteht lediglich darin, daß diese Sendungen erstens permanent zur Verfügung stehen und zweitens nicht am empfangsbereiten Fernsehgeräte, sondern in der Datenverarbeitungsanlage des Anbieters ständig verfügbar gehalten werden. Aus der Sicht des Teilnehmers unterscheidet sich dieses Angebot jedoch nicht von dem übrigen, im Verteilwege angebotenen Sendematerial. Daß die Übertragung erst auf seinen Abruf hin initiiert wird, stellt sich für ihn nicht als eine medienspezifisch relevante Besonderheit dar. Auch die Komplementärfunktion dieser Dienste, die das übrige Fernsehangebot ergänzen und komplettieren, legt es sodann nahe, diese zum Rundfunk zu zählen. Dies gilt um so mehr, als der Rundfunkbegriff dynamisch angelegt ist und auch schon bisher technische Weiterungen wie etwa Videotext, die sich als funktionell äquivalent erwiesen haben, in sich aufgenommen hat. Diese Ansicht kann sich - jedenfalls für den Bereich des Video on Demand - auch auf das Bundesverfassungsgericht berufen, das den Unterschied zwischen dem herkömmlichen Rundfunkempfang und dem Empfang "auf Abruf" einerseits sowie "auf Zugriff" andererseits als für den Rundfunkbegriff nicht relevant angesehen hat und deshalb die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für alle diese Dienste gleichermaßen einschlägig hält [6]. Das schließt dienstespezifische Regelungen (wie z. B. im baden-württembergischen Landesmediengesetz) nicht aus, die jedoch - und darauf hat das Bundesverfassungsgericht vielfach hingewiesen - die aus der Sicht des Rundfunks gebotenen Gestaltungskriterien nicht hintanstellen können. Auch hiernach ergibt sich jedenfalls ein Ausgreifen des Rundfunks und der ihn prägenden rechtlichen Gesichtspunkte in die genannten neuen rundfunkähnlichen Kommunikationsformen.

2. Persönlichkeitsschutz in den Medien

Kontrolle und Kritik, aber auch die Informationsfunktion der Massenmedien können in Widerstreit mit den schutzwürdigen Belangen des im Einzelfall betroffenen Bürgers oder Unternehmens treten. Deswegen ist unumstritten, daß der Schutz Betroffener gegenüber einer Berichterstattung in den Massenmedien besonderer gesetzlicher Regelung bedarf. So stellt das Medienrecht für den Persönlichkeitsrechtsschutz gegenüber Presse und Rundfunk spezielle Instrumente bereit [7]. Insbesondere der Anspruch auf Gegendarstellung wird, obwohl jedenfalls nicht nur zu diesem Zweck eingerichtet, oftmals auch in den Fällen erfolgter oder vermeintlicher Persönlichkeitsverletzung erhoben. Darüber hinaus kann der Betroffene gegenüber einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts bürgerlich-rechtliche Widerrufs- und Unterlassungsansprüche bis hin zu Schmerzensgeldforderungen geltend machen. Er kann dies mit Ansprüchen auf die Vernichtung von Filmmaterial und auf die Veröffentlichung des Unterlassungsurteils verbinden.

Kann so der Persönlichkeitsschutz gegenüber Rundfunk und Fernsehen auf ein tradiertes und bewährtes Rechtsinstrumentarium zurückgreifen, so hat der Gesetzgeber auf die Gefahren der elektronischen Datenverarbeitung erst seit den siebziger Jahren mit der Schaffung allgemeiner und bereichsspezifischer Datenschutzgesetze reagiert. Obwohl Datenschutz ebenfalls dem Persönlichkeitsschutz dient, löst er das Spannungsverhältnis zwischen dem Betroffenen und der seine Daten verarbeitenden Stelle auf andere Weise als der medienrechtliche Persönlichkeitsrechtsschutz. Das Datenschutzrecht konkretisiert das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 abgeleitete informationelle Selbstbestimmungsrecht [8] für den Bereich der administrativen und geschäftsmäßigen, kurz der bürokratischen Datenverarbeitung. Regelungsziel des Datenschutzrechts ist der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts durch Verbote, deren Einhaltung mittels Auskunftsansprüchen überwacht und deren Mißachtung mit Berichtigungs-, Sperrungs- und Löschungsansprüchen verfolgt und zuletzt als Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat geahndet werden kann. Der datenschutzrechtliche Ansatz schlägt sich im Konflikt zwischen Informationsverarbeitungsinteressen und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts zunächst auf die Seite des Persönlichkeitsrechts. Jede Verarbeitung personenbezogener Daten wird nach dem Prinzip "in dubio pro securitate" zunächst als eine Gefährdung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen angesehen. Das für die Datenschutzgesetzgebung charakteristische Instrument des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt [9] auferlegt jedem, der gesetzlich geschützte Daten verarbeiten möchte, einen Begründungs- und Rechtfertigungszwang: Die Verarbeitung gesetzlich geschützter personenbezogener Informationen ist verboten, es sei denn, der Verarbeiter kann einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand oder die Einwilligung des Betroffenen nachweisen.

Mit dem Aufkommen der Datenschutzgesetzgebung stellte sich auch die Frage, ob die Instrumentarien der Datenschutzgesetze auch auf die Datenverarbeitung bei Presse und Rundfunk Anwendung finden sollten. Dabei wurde rasch erkannt, daß ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Informationsverarbeitung zu medialen Zwecken nicht in Betracht kommen kann [10]. Die Begründung hierfür liegt einmal im verfassungsrechtlichen Zensurverbot, mit dem sich eine präventive (externe) Inhaltskontrolle der journalistischen Arbeit nicht vertragen würde. Darüber hinaus wird der mediale Persönlichkeitsschutz auch und vor allem durch die dargestellten bereichsspezifischen medien-rechtlichen Instrumente gewährleistet. Hinzu kommen neben einer tradierten journalistischen Ethik insbesondere vielfältige organisatorische Sicherungen, die über berufsständische Organisationsformen (Presserat) bis hin zu den pluralistischen Aufsichtsgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk reichen [11].

Anders als im Datenschutzrecht bedarf es beim Konflikt zwischen journalistischer Tätigkeit und Persönlichkeitsrecht keiner vorgängigen Rechtfertigung der Recherche durch den Journalisten [12]. Diese für das Medienrecht typische Präponderanz der Kommunikationsgrundrechte trägt der besonderen Bedeutung und Gewichtigkeit dieser Grundrechte gegenüber dem Persönlichkeitsrecht Rechnung: Die massenmediale Meinungsäußerung und -verbreitung ist nicht nur Ausdruck individualrechtlicher Grundrechtsbetätigung, sondern verkörpert zugleich die für die individuelle und gesellschaftliche Meinungsbildung essentielle Aufgabenerfüllung von Presse und Rundfunk als Institutionen in deren dienender Funktion gegenüber der Informationsfreiheit aller Bürger [13].

Es handelt sich also beim Interessenkonflikt zwischen Medien und Persönlichkeitsrecht nicht, wie beim Datenschutzrecht, um einen bipolaren Konflikt, sondern um ein Geflecht miteinander verwobener und verschränkter medialer Grundrechtspositionen einerseits und dem persönlichkeitsrechtlichen Individualrechtsschutz andererseits. Diese Konstellation stellt an die Abwägung der konfligierenden Interessen besonders hohe Anforderungen. Sie widerstreitet einer generalisierenden gesetzlichen Regelung und verlangt nach fallspezifischen Lösungsmustern, wie sie die Rechtsprechung im Laufe der Zeit entwickelt hat.

In Erkenntnis all dessen hat die Gesetzgebung die Besonderheiten des Persönlichkeitsschutzes gegenüber Presse und Rundfunk zunächst respektiert und bei diesen Unternehmen zwischen der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken und der übrigen Datenverarbeitung, etwa zu betrieblichen und sonst geschäftsmäßigen Zwecken, unterschieden. Während für letztere die allgemeine Datenschutzgesetzgebung zur Anwendung kommt, wurde die Datenverarbeitung zu eigenen journalistischen Zwecken von der Anwendung der Datenschutzgesetzgebung weitgehend ausgenommen, in dem für sie nurmehr die Verpflichtung auf das Datengeheimnis und auf Datensicherungsmaßnahmen gelten soll (Medienprivileg)[14]. Mit dem Medienprivileg wurde den bereichsspezifischen Besonderheiten des Persönlichkeitsschutzes Rechnung getragen. Dies zeigt die folgende Gegenüberstellung: Im Datenschutzrecht geht es um die Integrität der Selbstdarstellung des Betroffenen. Deshalb besteht ein Rechtfertigungszwang für die Sammlung, Verarbeitung und Weitergabe der auf die Person bezogenen Daten, eine Bindung der Daten an den jeweiligen Verarbeitungskontext (Zweckbindungsgebot) sowie ein auf den Betroffenenschutz ausgerichtetes Durchsetzungsinstrumentarium von Auskunfts- und Folgeansprüchen. Der medienrechtliche Persönlichkeitsrechtsschutz dagegen berücksichtigt in viel stärkerem Maße die auf Verarbeitung und Verbreitung von Informationen angelegten Interessen von Presse und Rundfunk. Rechtfertigungszwang und Zweckbindungsgebot sind der journalistischen Recherche fremd und würden sie unzumutbar beeinträchtigen. Datenschutz darf nicht dazu führen, daß die journalistische Verarbeitung personenbezogener Daten gewissermaßen die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme und die informationelle Abschottung die Regel darstellt. In der Arbeit von Presse und Rundfunk kommt vielmehr die Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums zum Ausdruck: Die informationelle Selbstbestimmung findet ihre Grenzen in einer Art informationellen Sozialbindung des einzelnen, deren Reichweite durch das legitime Unterrichtungsinteresse der Allgemeinheit bestimmt wird.

Diese Sonderstellung der Medien gegenüber dem allgemeinen Datenschutzrecht ist inzwischen auch europarechtlich anerkannt. So sieht Art. 9 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in der vom Europäischen Parlament modifizierten Fassung [15] folgende Regelung vor:

"Die Mitgliedsstaaten sehen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Meinungsäußerungsfreiheit geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen."

Bei dieser Vorschrift fällt auf, daß sie die Datenverarbeitung durch Medienunternehmen immer dann privilegiert, wenn sie "allein zu journalistischen Zwecken" erfolgt. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die personenbezogenen Daten, wie dies die deutsche Regelung [16] vorschreibt, "ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden". Die europarechtliche Regelung gewährt das Medienprivileg also auch dann, wenn z. B. ein Medienarchiv nicht nur von Journalisten im eigenen Haus, sondern auch von außenstehenden dritten Medienunternehmen genutzt wird, vorausgesetzt, es handelt sich um die Verwendung der Daten für journalistisch-redaktionelle Zwecke. Dies erscheint sachgerecht, da der Grund für die Privilegierung der journalistischen Datenverarbeitung die Nutzung zu journalistischen Zwecken ist und es nicht darauf ankommen kann, ob die Journalisten nun Angestellte des Medienunternehmens sind oder nicht. Die legislatorische Beschränkung auf die eigene journalistische Verarbeitung orientiert sich allzu stark am Typus der pressemäßigen Datenverarbeitung, bei der z. B. Journalisten eines Zeitungsverlages auf das Pressearchiv ebendieses Verlages zugreifen. Es verkennt die Praxis der Fernsehberichterstattung, bei der die Fernsehunternehmen sich häufig freier Mitarbeiter oder außenstehender, freier Produktionsteams bedienen. Daß alle diese Journalisten, deren Sendungen dann unter der medienrechtlichen Verantwortung des jeweiligen Sendeunternehmens ausgestrahlt werden, sich nach der geltenden Rechtslage [17] nicht des Medienarchivs dieses Hauses bedienen dürfen, ohne daß das Medienprivileg verlorengeht, erscheint nicht einleuchtend. Aber auch in den Fällen, in denen mehrere Sendeunternehmen zur Erzielung von Synergieeffekten auf das bei einem dieser Unternehmen betriebene Medienarchiv zugreifen, fehlt ein sachlicher Differenzierungsgrund dafür, diese Form der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken vom Medienprivileg auszunehmen.[18] Deshalb greift die Beschränkung auf eigene journalistische Zwecke in unverhältnismäßiger Weise in die Presse- und Rundfunkfreiheit ein. Die im Zuge der Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie gegebenenfalls notwendige Anpassung des deutschen Datenschutzrechts sollte deshalb zu einer entsprechenden Korrektur des Bundesdatenschutzgesetzes sowie der entsprechenden landes-rechtlichen Vorschriften benutzt werden.

Als verfehlt anzusehen sind auch neuere medienrechtliche Regelungen, die im Fall von Gegendarstellungen und von Persönlichkeitsrechtsverletzungen Auskunfts-[19], Speicherungs- und Berichtigungsansprüche [20] im Hinblick auf das Sendematerial sowie die der Berichterstattung zugrundeliegenden personenbezogenen Daten gewähren.[21] Der datenschutzrechtliche Auskunfts- und Berichtigungsanspruch eröffnet dem von ihm Begünstigten die Möglichkeit, sich gegebenenfalls schon frühzeitig über Gegenstand und Material einer journalistischen Recherche Kenntnis zu verschaffen und sich gegen die Berichterstattung mit dem medienrechtlichen Unterlassungsanspruch zur Wehr zu setzen.[22]

Zwar kann die datenschutzrechtliche Auskunft aus Gründen des Informantenschutzes verweigert werden, doch läßt dies die Tatsache unberührt, das mit dem Auskunftsanspruch unter der Fahne des Datenschutzes Terrain erobert wird, daß zum grundrechtlich geschützten Kernbereich journalistischer Betätigung zählt.

Der datenschutzrechtliche Berichtigungsanspruch steht, soweit er sich im Rundfunk auf gesendetes Material bezieht, im Widerspruch zu der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht, der die Sendungen zu Beweiszwecken unterliegen und die naturgemäß auf die unveränderte Aufzeichnung der Sendungen gerichtet ist. Der isoliert auf die Daten des Betroffenen gerichtete Berichtigungsanspruch verkennt zudem, daß diese nicht - bürokratische Verarbeitungsweise entsprechend - vorgangsbezogen gespeichert sind, sondern im Kontext einer Sendung stehen, deren Sinngehalt insgesamt von der Berichtigung betroffen sein kann. Schließlich bestehen technische und praktische Schwierigkeiten, eine Datenberichtigung innerhalb einer archivierten Sendung vorzunehmen: Die sendetechnische Aufzeichnung läßt sich nicht ohne weiteres nachträglich in einer Weise verändern, die der Berichtigung von Dateien entspricht.[23]

Auch die Pflicht, Gegendarstellungen zu den gespeicherten Daten zu nehmen, macht nur Sinn, wenn man unter diesen nicht die Sendung als solche, sondern die dazugehörigen journalistischen Unterlagen versteht. Am archivierten Sendeband selbst könnte allenfalls ein Hinweis auf eine Gegendarstellung angebracht werden.[24] Problematisch ist aber vor allem die Aufwertung der Gegendarstellung, die durch den Speicherungszusammenhang gewissermaßen in den gleichen Rang wie die Sendung selbst gehoben wird. Dabei besteht insofern zwischen beiden ein erheblicher Unterschied, als die journalistischen Daten nach Maßgabe der journalistischen Standesregeln und nach den für den Rundfunk geltenden gesetzlichen und hausinternen Programmgrundsätzen verarbeitet worden sind, während für die Gegendarstellung dergleichen Gestaltungsregeln nicht gelten, ja nicht einmal ihr Wahrheitsgehalt gewährleistet ist.

Völlig verfehlt erscheinen schließlich Vorschläge der Datenschutzbeauftragten [25], wenn sie die Nutzung von Medienarchiven im Hinblick auf lang zurückliegende Publikationen in einer Weise beschränken wollen, die dem "Recht auf Vergessen" in der Form von Löschungsvorschriften für das Bundeszentralregister entspricht. Eine solchermaßen geforderte Neubestimmung des Medienprivilegs beeinträchtigt völlig die auch in der Zeitachse wirkende Informationsfunktion der Medien. Sie verabsolutiert das Schutzbedürfnis des einzelnen und verkennt nicht nur die Kommunikationsgrundrechte der Medien, sondern auch deren gesellschaftliche und demokratische Funktion in ihrer auch historischen Dimension. Beide Rechtsgüter sind letztlich in einem am Einzelfall orientierten Abwägungsprozeß zum Ausgleich zu bringen [26] , der einer rigiden gesetzlichen Löschungsverpflichtung nach dem Muster des Bundeszentralregistergesetzes widerstreitet.

3. Persönlichkeitsschutz bei neuen Telediensten

Soweit es sich bei den neuen Telediensten in dem oben unter dem Stichwort "Couch-Viewing" beschriebenen Sinne um Rundfunk bzw. rundfunkähnliche Dienste handelt, ist wiederum zwischen den verschiedenen Zwecken der Datenverarbeitung zu unterscheiden. Für die übermittelten Sendungsinhalte und die ihnen zugrundeliegende Datenverarbeitung gilt das Medienprivileg. Dies läßt sich damit rechtfertigen, daß bei diesen Diensten die publizistische Funktion im Vordergrund steht, die sie entweder selbst oder als Annex zu anderen solchermaßen geprägten Diensten erfüllen. Die Abwägung zwischen der kommunikationsrechtlich geschützten Entfaltung einerseits und dem Persönlichkeitsschutz auf der anderen Seite folgt deshalb dem gleichen Muster wie beim Rundfunk im traditionellen Sinne und bei der Presse. Das bedeutet, daß der Persönlichkeitsrechtsschutz im Rahmen der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken nicht nach den Regeln des Datenschutzes, sondern auf der Grundlage des medienrechtlichen Instrumentariums (Gegendarstellung, Widerruf, Unterlassung, Schadenersatz) erfolgt. Das Medienprivileg gilt demnach, soweit es die Inhalte der Kommunikation anbelangt, nicht nur für den Rundfunk, sondern auch für rundfunkähnliche Dienste.

Bei der mit der Abwicklung der Dienste verbundenen administrativen Datenverarbeitung dagegen sind, soweit es private Rundfunkveranstalter anbelangt, Sondervorschriften für den Umgang mit Abrechnungs- und Verbindungsdaten nach § 28 Rundfunkstaatsvertrag zu beachten, die dem BTX-Staatsvertrag entlehnt sind. Sie stellen bereichsspezifisches Datenschutzrecht für entgeltliche Fernsehprogramme und On Demand-Teledienste dar und tragen den besonderen Gefahrentatbeständen dieser Verarbeitungsvorgänge Rechnung. Soweit diese Vorschriften - wie z. B. gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - nicht zur Anwendung kommen, verbleibt es dagegen bei der Anwendung der allgemeinen Datenschutzvorschriften. Für die Zukunft könnte überlegt werden, die bislang nur für private Rundfunkveranstalter geltenden Datenschutzvorschriften in den allgemeinen Teil des Rundfunkstaatsvertrages zu übernehmen und sie damit für alle Rundfunkveranstalter verbindlich zu machen. Doch erscheint auch die geltende Rechtslage im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insoweit hinnehmbar, als bei ihnen angesichts der jahrzehntelangen Erfahrungen im Umgang mit den personenbezogenen Daten der Gebührenzahler ein mißbräuchlicher Umgang mit Abrechnungs- und Verbindungsdaten, der besondere gesetzliche Vorkehrungen erforderlich machen würde, nicht zu befürchten ist.

4. Schlußbetrachtung

Datenschutzregelungen sind ebenso unverzichtbar wie tiefgreifende Rahmenbedingungen moderner Kommunikation. Damit berühren sie die Interessen all derer zentral, bei denen Kommunikation nicht nur irgendein Teil ihrer geschäftlichen Entfaltung ist, sondern deren Aufgabe gezielt auf die Massenkommunikation ausgerichtet ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Rundfunk und seine modernen Erscheinungsformen. Er wird - vor allem als öffentlich-rechtlicher Rundfunk - nicht nur um seiner selbst willen veranstaltet, sondern ist elementarer Faktor der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und erfüllt so eine für die Gemeinschaft unverzichtbare öffentliche Aufgabe. Deshalb bin ich besonders dankbar, daß mir hier Gelegenheit geboten wurde, die Belange des Rundfunks darzustellen und mit denen des Datenschutzes abzuwägen.

* Um Fußnoten erweiterter Beitrag zum Symposium "Multimedia und Datenschutz" am 28. 08. 1995 in Berlin.

1 Vgl. zum ganzen Das ZDF vor den Herausforderungen des digitalen Fernsehens (ZDF-Schriftenreihe Heft 48), Mainz 1994, Hoffmann-Riem/Vesting (Hrsg.), Perspektiven der Informationsgesellschaft, Baden-Baden 1995.

2 Zur Beschreibung neuer Teledienstleistungen und deren Finanzierungsmöglichkeiten vgl. Prognos AG, Digitales Fernsehen - Marktchancen und ordnungspolitischer Regelungsbedarf, München 1995 sowie Das ZDF vor den Herausforderungen des digitalen Fernsehens (Fn. 1), 17 f., 25 f. Zur medienrechtlichen Einordnung der Dienste vgl. Eberle, ZUM 1994, 530.

3 Vgl. zuletzt Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, Berlin 1995.

4 Vgl. z. B. § 2 Abs. 1 RfStV sowie Eberle, ZUM 1994, 530, 531 m. w. N.

5 Vgl. Eberle, ZUM 1995, 249, 254.

6 BVerfGE 74, 297, 350 ff.

7 Vgl. dazu ausführlich Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. Köln 1994 sowie - speziell zum Gegendarstellungsrecht - Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film und Fernsehen, 2. Aufl. München 1990. Das Gegendarstellungsrecht dient zwar nicht in erster Linie dem Persönlich-keitsschutz, kann jedoch auch mit dieser Zielrichtung eingesetzt werden.

8 Vgl. zum informationellen Selbstbestimmungsrecht grundlegend BVerfGE 65, 1, 41 ff. (Volkszählungsurteil); Schlink, Der Staat 1986, 233 ff.; Rosenbaum, JURA 1988, 278 ff. jeweils m. w. N. Das BVerfG verwendet seit dem Quellensteuerurteil auch den Terminus "Grundrecht auf Datenschutz" (BVerfGE 84, 239, 280).

9 Vgl. dazu auch Dörr, AfP 1993, 709; Bergmann/Möhrle/Herb, Handkommentar Datenschutzrecht, Stand: 16. Ergänzungslieferung März 1995, § 4 BDSG Rdnr. 8

10 Vgl. hierzu Eberle, Computer und Recht 1992, 757, 759.

11 Vgl. dazu insbesondere Eberle, Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in elektronischen Medien in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, Gütersloh 1990, 50., 54 ff.

12 Ebenso Dörr, AfP 1993, 710.

13 Vgl. BVerfGE 20, 162, 174 f. (zur Pressefreiheit); BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 323 (zur Rundfunkfreiheit).

14 Vgl. § 1 Abs. 3 BDSG (1977) sowie den bei der Novellierung des BDSG an dessen Stelle getretenen § 41 BDSG (1990).

15 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24. 07. 1995.

16 § 41 Abs. 1 Satz 1 BDSG.

17 Zwar mag eine rundfunkfreundliche Auslegung des Medienprivilegs - Nutzung zu eigenen journalistischen Zwecken auch bei Einsatz freier Mitarbeiter - dieses Ergebnis vermeiden helfen. Doch führt die unten vorgeschlagene Novellierung des Medienprivilegs zu größerer Rechtsklarheit.

18 Kritisch insoweit auch Bergmann/Möhrle/Herb, Handkommentar Datenschutzrecht (Fn. 9), § 41 Rdnr. 41.

19 Vgl. § 63 Abs. 3 HPRG; § 56 Abs. 2 HambMedienG; § 74 Abs. 7 LRG Saarl.; vgl. auch § 50 Abs. 3 WDR-G und § 17 Abs. 3 ZDF-StV. Vgl. weiter § 31 Abs. 3 LDSG BW; § 28 Abs. 3 ThürDSG sowie § 41 Abs. 3 BDSG im Hinblick auf die Bundesrundfunkanstalten; vgl. dazu Bergmann/Möhrle/Herb, Handkommentar Datenschutzrecht (Fn. 9), § 41 Rdnr. 63 ff.

20 Vgl. § 50 Abs. 2, 3 WDR-G sowie § 17 Abs. 3 S. 3 ZDF-StV; § 56 Abs. 3 HambMedienG; § 74 Abs. 6 LRG Saarl.; § 31 Abs. 3 Satz 3 LDSG BW; § 28 Abs. 3 Satz 3 ThürDSG sowie § 41 Abs. 3 S. 3 BDSG.

21 Ähnlich kritisch wie hier zum Auskunftsanspruch auch Dörr, AfP 1993, 710.

22 A. A. Schrader, AfP 1994, 114, 115, der insoweit aber - mindestens implizit - jedenfalls für § 17 Abs. 3 S. 3 ZDF-StV eine solche Gefährdungslage aufgrund einer möglichen Fehlinterpretation dieser Vorschrift eingesteht. Ihr soll durch eine modifizierte Fassung der Parallelvorschrift § 56 Abs. 2 HambMedienG vorgebeugt werden.

23 Die von Schrader, AfP 1994, 115 vorgeschlagene Lösung, wonach die falschen Daten unverändert bleiben und lediglich der richtige Sachverhalt hinzugefügt werden soll, erscheint vernünftig. Nur findet sie angesichts der Differenzierung in § 17 Abs. 3 S. 3 ZDF-StV in die Vorgänge der "Berichtigung" einerseits und der "Hinzufügung einer eigenen Darstellung" andererseits im Wortlaut der Vorschrift nur schwerlich eine Stütze.

24 Bergmann/Möhrle/Herb (Fn. 9), § 41 Rdnr. 56.

25 AfP 1995, 482.

26 BVerfGE 35, 202, 223 f.

Zuletzt geΣndert:
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